Wie lassen sich Einkommen entlasten, auf die ohnehin kaum Steuern anfallen? Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung schlägt vor, Sozialabgaben zu reduzieren.
Von Gregor Becker
Für die Staatsfinanzen war 2017 ein Rekordjahr: Im öffentlichen Gesamthaushalt fiel ein Überschuss von 37 Milliarden Euro an. Die Rufe nach einer finanziellen Entlastung der Steuerzahler werden seitdem wieder lauter.
Besonders im Fokus stehen die Geringverdiener, schließlich sind hohe und mittlere Einkommen im vergangenen Jahrzehnt stetig gewachsen, Geringverdiener hingegen haben Verluste hinnehmen müssen. Ihnen bleibt am Monatsende im Durchschnitt weniger Geld in der Tasche als Anfang der Neunzigerjahre. Wie also niedrige Einkommen entlasten? Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) argumentiert, eine Reform der Sozialbeiträge könnte ein effektives Mittel sein.
Die Idee ist simpel. Bei Geringverdienern soll die Steuerlast um die Höhe des Sozialbeitrags reduziert werden. „Statt die Sozialbeträge direkt zu verringern, kann man sie auf die Einkommenssteuer anrechnen“, heißt es in einem Arbeitspapier des DIW, das ZEIT ONLINE exklusiv vorliegt. Geringverdiener erhalten also ein Steuerguthaben, das sich direkt an den Sozialabgaben orientiert. Bei sehr geringen Einkommen kann das auch zur einer Negativsteuer führen, die der Staat den Beschäftigten auf die Sozialabgaben gutschreibt. Der DIW-Vorschlag umgeht damit eine direkte Verringerung der Sozialbeiträge, für die das Sozialversicherungsgesetz geändert werden müsste.
5,8 Milliarden Euro Entlastung möglich
Das Wirtschaftsinstitut überträgt mit seinem Vorschlag zudem das Prinzip der progressiven Besteuerung auf die Finanzierung der Sozialsysteme: „Geringe Einkommen werden mit Freibeträgen steuerfrei gestellt, höhere Einkommen werden progressiv belastet.“ Also: Wer mehr verdient, zahlt auch mehr ein.
Aber warum schlägt das DIW nicht einfach eine Senkung der Einkommenssteuer vor? Warum der Umweg über die Sozialabgaben? „Personen mit niedrigem Einkommen zahlen oft keine oder nur wenig Einkommenssteuer, denn die wird erst ab einem Jahreseinkommen von 10.500 Euro fällig“, sagt Stefan Bach, einer der Autoren der Studie. „Sozialbeiträge werden dagegen ab dem ersten Euro Arbeitseinkommen gezahlt. Wenn man Geringverdienende wirksam entlasten will, muss man hier ansetzen.“
In der Studie wägt das DIW verschiedene Umsetzungen der Reform gegeneinander ab. Die vielversprechendste Option: Sozialbeiträge von maximal 100 Euro pro Monat werden von der Steuerlast abgezogen, mit steigender Steuerlast wird das Guthaben kontinuierlich verringert. Um 5,8 Milliarden Euro würde dies private Haushalte in Deutschland pro Jahr entlasten. Viel wichtiger: 80 Prozent dieser Entlastung würde auf die untere Hälfte der Bevölkerung entfallen.
© ZEIT ONLINE – 27.3.18