Am Montag, den 20.3.2017, haben mehr als 250 KollegInnen von der Charité Facility Management (CFM) und Vivantes Service Gmbh (VSG) als Teil ihres Warnstreiks eine Kundgebung zu Beginn der Aufsichtsratssitzung der Charité abgehalten. Wie die Transparente zeigen, war ihre gemeinsame Forderung an die politischen Verantwortlichen die Rückführung der CFM in die Charité und die Rückführung der VSG in Vivantes.
Sie kämpfen damit gegen die Ausgründungen in Tochtergesellschaften, deren Ziel die Tarifflucht und Lohnkostensenkung ist.
Für die Demonstration gab es gute Gründe. Zum einen stagnieren die Tarif-Verhandlungen sowohl bei der CFM, wie bei der VSG. Die Arbeitgeber sind weit davon entfernt, auch nur die Frage des TVöD zu diskutieren. Die VSG hat sogar Weihnachten die Verhandlungen abgebrochen.
Und nicht nur das: beim letzten Warnstreik am 6. März hatte die Geschäftsführung des zu Vivantes gehörenden Krankenhauses Friedrichshain den Streikenden und ver.di ein Hausverbot erteilt.
Diese Eskalation führte zu einer „Kleinen Anfrage“ im Abgeordnetenhaus, in der die Abgeordnete Bettina König (SPD) fragte: „Wie ordnet der Senat die aktuellen Entwicklungen bei der Vivantes-Tochter VSG und der Charité-Tochter CFM ein?“ Der Finanz-Senator Dr. Matthias Kollatz-Ahnen versprach in seiner Antwort, „in dieser Wahlperiode die Überführung der CFM in öffentlichen Besitz. Sie wäre dann eine hundertprozentige Tochter der Charité.“ Ausdrücklich ergänzte er, dass die „tarifvertraglichen Bindungen …nicht in allen Punkten 100 Prozent TVöD sein“ können.
Von dem Abgeordneten Lars Düsterhöft (SPD) wurde er dann noch auf das Hausverbot angesprochen. Kollatz-Ahnen übernahm die Version des Arbeitgebers und sprach davon, dass keine „Notfallvereinbarung“ abgeschlossen worden sei. Nach Angaben von ver.di-Verantwortlichen gab es diese selbstverständlich. Wie ein solches angebliche Vergehen allerdings durch ein Hausverbot „geheilt“ werden soll, ist schleierhaft.
ver.di hat in einer Pressemitteilung die „angekündigte Beendigung der öffentlich-privaten Partnerschaft bei der CFM“ begrüßt und den Senat aufgefordert, „eine ehrliche und ergebnisoffene Debatte über die Beendigung von Outsourcing zu führen. Dies sowohl im Sinne der Beschäftigten als auch im Sinne der Patienten.“
An der Kundgebung vor dem Aufsichtsrat nahmen die beiden Abgeordneten Bettina König und Lars Düsterhoff teil. Lars Düsterhoff erklärte, dass die nötigen Investitionsmittel des Landes fließen müssten. „Wir stehen hier für eine Trendwende in der Krankenhausfinanzierung“. Diese Investitionen müssen auch eine Verbesserung der Situation beim Personal zur Folge haben. Er versprach noch einmal, dass die „öffentlichen-privaten Partnerschaften bei der CFM zum Jahre 2019 beendet werden. Das heißt aber nicht, dass die Mitarbeiter der CFM besser bezahlt werden.“ Er versprach, sich für diese Forderungen einzusetzen. Ausdrücklich betonte er: „Ja die Koalition bekennt sich zur Angleichung an den TVöD“ und lehnte auch eine „sachgrundlose Befristung“ ab.
Betinna König sprach zur VSG. Zunächst begrüßte sie die Rückführung der vor einem Jahr überführten KollegInnen und fragte dann: „Was ist mit den 268 restlichen Mitarbeitern?“ Soll es für sie keine Lösung zu geben? Ausdrücklich erklärte sie: „Wir unterstützen die Forderungen nach „TVöD für alle“. Wir brauchen einen Tarifvertrag für die VSG, es darf und kann nicht sein, dass jeder danach bezahlt wird, wie gut oder schlecht er für sich verhandelt hat. Einen Tarifvertrag für die VSG, der über der Branche liegt und einen Weg zur Angleichung an den TVöD beschreibt. Das Ziel muss die „Überleitung in den Mutterkonzern bleiben.“ „Ungleiche Arbeitsbedingungen für die gleiche Arbeit, das darf nicht sein.“ „Das haben und werden wir als Abgeordnete auch weitertragen.“ „Wir danken Euch für eure unermüdliche und unersetzliche Arbeit. Wir können Euch nichts versprechen, außer dass wir bei Euch stehen und uns für faire Arbeit im Verantwortungsbereich des Landes Berlin einsetzen und kämpfen werden. Wir stehen an Eurer Seite und werden nicht lockerlassen.“
Eine unerträgliche Eskalation –
nach dem Hausverbot erpresst die Geschäftsführung der Vivantes Service GmbH per Gericht ein Streikverbot
Die Verantwortung liegt beim Senat des Landes Berlin, dem 100%igen Eigentümer
Wenige Minuten nach der Kundgebung wurde bekannt, dass der Warnstreik der VSG, der eigentlich 24 Stunden dauern sollte, auf Grund einer vom Arbeitgeber beantragten einstweiligen Verfügung durch das Arbeitsgericht vorzeitig beendet wurde. Im Falle einer „Zuwiderhandlung“ wurde ein „Ordnungsgeld in Höhe von 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monate, zu vollziehen an einem Mitglied des Bundesvorstandes, angedroht.“
Der Streik wurde daraufhin sofort abgebrochen.
In der Verhandlung des Arbeitsgerichts am folgenden Dienstag wurde ver.di zu der Erklärung verurteilt, „weder ihre Mitglieder noch sonstige Arbeitnehmer der Klägerin oder der Klägerin gestellt Arbeitnehmer der Vivantes-Netzwerk für Gesundheit GmbH zu Streiks aufzurufen und /oder Streiks in den Betrieben der Klägerin durchzuführen, um einer Forderung der (Wieder-) Eingliederung der Beschäftigten der Klägerin in die Vivantes-Netzwerk für Gesundheit GmbH durchzusetzen.“
Der Schock in der Belegschaft von Vivantes war groß. Doch jetzt lässt der „rot-rot-grüne Senat es zu, dass die Richter auf uns losgelassen werden? Gehört das zum neuen Stil?“ – „Und das in einem Senatsunternehmen! Wir reden ja hier nicht von den Sklaventreibern Amazon oder Median, sondern von Vivantes – einem 100-prozentigen Unternehmen in öffentlicher Hand!“ – „Dass sie verdi vorhalten, auch für Rückführung aufgerufen zu haben, halte ich für einen Vorwand, uns das Streikrecht zu nehmen!“ – „In unserem Umfeld brodelt es.“ Und es wird der Vorschlag diskutiert: „Brauchen wir nicht jetzt eine verdi Protestdemo zum Senat, um unser Streikrecht zu verteidigen?“ „Aufgrund der Schwere des Angriffs ist die Verantwortung prominenter ver.di Hauptamtlicher aufgerufen.“
Einige KollegInnen haben jetzt den Vorschlag gemacht, Den Vorstand von ver.di Berlin aufzufordern, gegen diese unglaubliche Provokation, in der ein Angriff auf das im Grundgesetz verankerte Streikrecht gesehen werden muss, zu einer massiven Kundgebung von Gesamt-ver.di zu mobilisieren.
Gotthard Krupp