Ein Beitrag von Gotthard Krupp
Die Berliner Landesarbeitnehmer*innen-Konferenz am 24. Februar hat nach kontroverser Diskussion beschlossen eine Stellungnahme zur Frage, ob die SPD in eine Große Koalition gehen soll, abzugeben. Der Einwand, dem Mitgliederentscheid nicht vorzugreifen, wurde zurückgewiesen. Es wurde sehr kritisch angemerkt, dass der Parteivorstand der SPD einstimmig Position bezogen und sein Ja zum Koalitionsvertrag mit den Abstimmungsunterlagen für den Mitgliederentscheid verschickt habe – was einer ausgewogenen demokratischen Willensentscheidung frontal zuwiderläuft. Die-Landeskonferenz müsse das Recht in Anspruch nehmen, die Meinung der AfA-Delegierten nach einer Diskussion in einem Beschluss festzuhalten.
Befürworter wie Gegner einer großen Koalition diskutierten ausführlich über die inhaltlichen Ergebnisse des Koalitionsvertrages, wie auch die langfristigen Auswirkungen für die Arbeitnehmer*innen in unserem Land.
Großes Interesse fand bei den Delegierten eine Erklärung aus Nordrhein-Westfalen zur Ablehnung einer erneuten großen Koalition, die von weit über 1000 Sozialdemokrat*innen, Abgeordneten, Bürgermeistern und Bezirksbürgermeistern, Landräten, Kommunalpolitikern, verantwortlichen Mitgliedern aller SPD-Arbeitsgemeinschaften und Gewerkschafter*innen unterzeichnet wurde.
In der Erklärung wird u.a. ausgeführt: „Die Anlage des Koalitionsvertrages ist vielmehr eine strukturelle Falle für die Sozialdemokratie, weil der Handlungsspielraum des Staates weiter eingeschränkt wird (..) Die Regierungspolitik wird eingeklemmt zwischen dem Dogma der „schwarzen Null“ und dem vertraglichen Verbot Reichen und Superreichen endlich wieder einen angemessenen Beitrag zur Finanzierung unseres Gemeinwesens abzuverlangen. (…) Wie so oft (wären) sozialdemokratische Landespolitiker*innen und Kommunalpolitiker*innen gezwungen, ihre unterfinanzierten Haushalte mit Steuererhöhungen und Kürzungen bei den Schwächsten einigermaßen im Gleichgewicht zu halten. Das alles würde der SPD auf allen Ebenen angelastet werden, weil sie regiert und der Staat die von ihm selbst geweckten Erwartungen enttäuschen müsste.“ (→ vollständiger Text)
In dieser Aussage kommen die dramatischen Erfahrungen der SPD-Genoss*innen in NRW zum Ausdruck, wo unter dem Zwang von Schuldenbremse/ schwarzer Null das Land, die Städte und Gemeinden einer ruinösen Sparpolitik unterworfen wurden. Die tiefe Ablehnung dieser Politik durch die Arbeitnehmer*innen bezahlte die SPD in den letzten Landtagswahlen mit dem schlechtesten Wahlergebnis seit 1947, gerade auch im Ruhrgebiet.
Die Erfahrung, dass diese Politik die SPD in den Niedergang treibt, haben auch die Genoss*innen in Berlin, einer ebenfalls kaputtgesparten Stadt, machen müssen.
Genoss*innen und Gewerkschaftskolleg*innen aus Berlin haben deshalb die Initiative für einen Aufruf an die SPD-Mitglieder ergriffen: Sagt Nein Sagt Nein zum Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD – Nein zur Großen Koalition“. „Nein zu einem Weiter so mit dem Diktat der Schuldenbremse/Schwarzen Null: Nein zur Verweigerung der notwendigen staatlichen Finanzierung der fehlenden Stellen in den Krankenhäusern und Pflege, des öffentlichen Bildungssystems, zur Förderung der Tarifflucht jeder Art…“ (→ vollständiger Text)
In der Diskussion wurde darauf hingewiesen, dass auch die Gewerkschaft ver.di als ein Kernproblem nennt: „Schuldenbremse und Fiskalpakt müssen weg!“ (ver.di Wirtschaftspolitik aktuell, 04 2/2018)
Die Diskussion war auch von dem Willen vieler Genoss*innen geprägt, dass es angesichts der existenzbedrohenden Situation, in der sich die SPD befindet ,notwendig ist, den Mut zu einer radikalen Neuorientierung unserer Partei aufzubringen, für einen radikalen Wechsel der politischen Ausrichtung der SPD hin auf die konsequente Interessensvertretung der Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung und Jugend und der Demokratie.
Befürworter und Gegner waren sich durchaus einig darin, dass das Vertrauen in eine SPD-Führung, die diese Partei in diese Zwangslage gebracht hat, verschwunden ist.
Bei 6 Gegenstimmen und drei Enthaltungen wurde eine Resolution angenommen, in der es heißt:
„Die Landesarbeitnehmer*innenkonferenz bekräftigt den Beschluss des Berliner SPD-Landesvorstands vom 15. Januar:
„Die Absage der SPD an eine Fortsetzung der Großen Koalition war zwingend und richtig.“ Wie schon in den Sondierungsvereinbarungen vermissen wir in den vorliegenden Ergebnissen der Koalitionsverhandlungen Kernforderungen einer sozial gerechten Politik, einer sozialdemokratischen Politik, die sich den Interessen der ArbeitnehmerInnen und der Demokratie verpflichtet. „Eine erneute Große Koalition kann daher kein Ergebnis dieser Gespräche sein.“ (→ Vollständiger Text in der Anlage)