„Befristete Arbeitsverhältnisse sind das Gegenteil von guter Arbeit“

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In der Debatte des Abgeordnetenhauses vom 6.Juli hat Bettina König in ihrem Redebeitrag eindrucksvoll dargelegt, warum die verbreitete sachgrundlose Befristung von Arbeitsverhältnissen ein gesellschaftlicher Skandal ist, der von einer rot-rot-grünen Landesregierung nicht länger geduldet werden sollte.

Sehr geehrter Herr Präsident,

sehr geehrte Damen und Herren,

Wir Sozialdemokraten wollen, dass Menschen sichere, verlässliche und gute
Arbeitsbedingungen haben. Dazu gehört, dass wir die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des
Landes Berlin gut bezahlen, ihnen gute Entwicklungsperspektiven bieten und wo immer das
möglich ist, einen unbefristeten Arbeitsvertrag.

Denn: befristete Arbeitsverhältnisse sind das Gegenteil von guter Arbeit. Befristete
Arbeitsverträge bedeuten immer eine enorme psychische Belastung für die Betroffenen und
ihre Familien. Es ist kein gutes Gefühl, nicht zu wissen, wie lange man noch über ein
Einkommen verfügt. Man fühlt sich unsicher und ohnmächtig, wenn man das eigene Leben
nicht verlässlich planen kann.

Woher ich das weiß? Weil ich das alles selbst erlebt habe. Weil ich weiß, wie es sich anfühlt, nur befristet angestellt zu sein. Ein halbes Jahr hier, dann 1,5 Jahre in einem anderen Unternehmen, dann zweimal hintereinander ein Jahr wieder woanders – fast immer ohne Sachgrund – befristet. Das waren vier Jahre voller Unsicherheit, Existenzängsten und Zweifel. Vier Jahre, in denen ich mich ständig auf dem Prüfstein fühlte und mein Leben nicht länger als ein paar Monate im Voraus planen konnte.

Ich finde: Um solche mit Befristungen verbundenen Belastungen für Arbeitnehmern
überhaupt zu rechtfertigen, ist das Vorliegen eines Sachgrundes zwingend erforderlich.
Solche Gründe gibt es durchaus. Zum Beispiel bei einer Elternzeitvertretung oder einem
zeitlich begrenzten Projekt, wo die Arbeitsleistung nur kurzzeitig benötigt wird. Das ist alles
geregelt im Teilzeitbefristungsgesetz.

Was aber nicht akzeptabel ist, ist

– das pauschal mehr oder weniger alle neu eingestellten Arbeitnehmer erst mal auf 2
Jahre befristet angestellt werden.
– Dass damit die gesetzlich vorgesehene 6monatige Probezeit ausgehebelt wird.
– Dass damit der Kündigungsschutz umgangen wird.
– Dass damit die betriebliche Mitbestimmung erschwert wird.

Allein wenn man sich das Wort auf der Zunge zergehen lässt: sachgrundlose Befristung:
das bedeutet, dass man jemanden nur befristet anstellt, obwohl es dafür gar keinen Grund gibt. Einfach so, weil es einfacher, bequemer, risikoärmer und sich irgendwie etabliert hat. Einfach, weil es das Gesetz ermöglicht, die Risiken der Unternehmen auf die Mitarbeiter zu verlagern.

Das muss endlich beendet werden. Ich will, dass alle Arbeitnehmer sichere und gute
Perspektiven haben. Ich will, dass die Belastungen von Befristungen so wenig
Arbeitnehmern wie möglich zugemutet werden.

Ich habe mich vor kurzem mit Angestellten der Vivantes Therapeutische Dienste gmbH
getroffen, einer 100% Tochter eines Landesunternehmens. Eine Mitarbeiterin erzählte, dass
sie 2 Jahre zwar bei Vivantes – also im Mutterunternehmen – aber sachgrundlos befristet
angestellt war. Nach Auslaufen der Befristung wurde ihr ein Vertrag in der inzwischen
ausgegründeten Tochter angeboten, mit 600€ weniger Monatsgehalt. Sie sagte „ich hatte da
keine Wahl“, sie macht jetzt die gleiche Arbeit wie vorher, nur für wesentlich weniger Geld.
Eine andere erzählte, das sie zweimal jeweils für ein Jahr sachgrundlos befristet angestellt
wurde. Und dass ihr immer erst wenige Tage vor Auslaufen der Befristung gesagt wurde, wie es weitergeht.

Ich habe mich in diesem Moment geschämt. Ich habe mich geschämt, dass wir so
rücksichtslos mit Angestellten des Landes Berlins umgehen. Wertschätzung sieht anders
aus!

Und das sind keine Einzelfälle. In den Töchterunternehmen von Vivantes sind 570 von 625
Befristungen sachgrundlos. 570 Menschen und ihre Familien, die im Ungewissen gehalten
werden. 570 Menschen, die hart arbeiten und sich trotzdem Sorgen um ihre Zukunft machen
müssen.

Damit muss Schluss sein. Deshalb wollen wir überall dort, wo das Land Berlin direkt oder
indirekt als Arbeitgeber Verantwortung trägt, die sachgrundlose Befristung abschaffen. Damit werden wir für viele Menschen die Arbeits- und Lebensbedingungen verbessern. Und es geht dabei auch um die Vorbildunktion Berlin und das klare Signal: uns ist es wichtig, dass sie in Berlin gut und sicher arbeiten und leben können!

Rede zum Download

 

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